Im Winter 2019/2020 war ich zwölf Wochen mit dem Motorrad in Argentinien und Chile unterwegs. Dies ist der neunte von siebzehn Reiseberichten. Von El Chaltén geht es nach El Calafate. Der Perito Moreno Gletscher ist die absolute Attraktion im südlichen Teil des Parque Nacional Los Glaciares. Ich genieße die fantastischen Ausblicke und gehe auf dem Gletscher wandern. Im Park gibt es noch viele weitere Gletscher, von denen ich einige im Rahmen einer Bootstour zu sehen bekomme.
Hier geht es zu Teil 8 des Reiseberichts.
Dienstag, 7. Januar 2020
Tag 39: El Chaltén bis El Calafate (356 km)
Fahrt nach El Calafate
Als ich am Morgen mein Motorrad für die Abreise vorbereite, kündigen dunkle Wolken und ein schöner Regenbogen Regen an, der langsam von Norden heranzieht. Ich beeile mich und schaffe es, El Chaltén trocken zu verlassen.
Da ich heute noch zum Perito Moreno Gletscher möchte, mache ich unterwegs nur wenige Stopps. Der Lago Viedma dominiert zunächst die Landschaft. Dann führt die Straße am Río La Leóna entlang. Am Ufer des Lago Argentino geht es weiter nach El Calafate. Hier erwischt mich dann doch noch ein Regenschauer. Das Wetter wird danach aber wieder richtig schön.
Perito Moreno Gletscher
Der Gletscher liegt 75 Kilometer von El Calafate entfernt. Für die Strecke benötigt man etwa eine Stunde. Nach dem Eingang in den Nationalpark führt die kurvige Straße 11 direkt am Brazo Rico entlang, einem Seitenarm des Lago Argentino. Von einigen Aussichtspunkten kann man bereits einen Blick auf den riesigen Gletscher werfen.
Der Perito Moreno Gletscher ist einer der wenigen Gletscher, die in sich konstant bleiben, und einer der am leichtesten zugänglichen Gletscher der Welt. Er lässt sich sehr gut von der Península de Magellanes beobachten. Sie liegt nah genug, um von den Aussichtsplattformen einen grandiosen Ausblick zu garantieren, aber weit genug, um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten.
Der Perito Moreno Gletscher ist etwa 30 km lang, 5 km breit und 60 m hoch. Rundwege ermöglichen unterschiedliche Perspektiven auf den faszinierenden Gletscher. Besonders beliebt sind die Balkone, von denen man mit etwas Glück beobachten kann, wie haushohe Eisberge von der Gletscherzunge abbrechen und mit Getöse in den Canal de los Témpanos (Eisbergkanal) stürzen.
Der Perito Moreno Gletscher ist für ein seltenes Naturschauspiel bekannt. Alle paar Jahre dringt er soweit vor, dass er die Península de Magellanes erreicht und damit den Brazo Rico blockiert. Da der Seitenarm des Lago Argentino keinen eigenen Abfluss hat, steigt der Wasserspiegel stark an. Es entsteht ein steigender Druck, dem die Blockade irgendwann nicht mehr standhalten kann. Jedes Mal stürzt sie dann in einer gewaltigen Explosion aus Wasser und Eisbrocken in sich zusammen.
El Calafate
In El Calafate komme ich in einem einfachen Hotel unter. Eigentlich wollte ich hier den Hinterreifen wechseln lassen. Es scheint jedoch nicht so einfach zu sein, eine passende Werkstatt zu finden. Das Internet gibt wenig her und von den angeschriebenen Werkstätten in El Calafate hat sich bisher keine zurückgemeldet. Ich vermute, ich benötige deutlich mehr Vorlaufzeit. Daher verschiebe ich dies auf einen späteren Zeitpunkt. Bis Ushuaia sollte der Reifen noch halten. Daher suche ich dort nach Werkstätten und schreibe diese an.
Mittwoch, 8. Januar 2020
Tag 40: Perito Moreno Gletscher
Aussichtsplattform
Heute nehme ich an einer Gletscherwanderung teil. Bereits kurz nach sieben werde ich vom Hotel abgeholt. Nachdem alle Gäste eingesammelt sind, geht es zunächst zu den Aussichtsplattformen. Da ich bereits gestern hier war, suche ich mir einen strategischen Punkt und beobachte den Gletscher. Zunächst passiert relativ wenig. Doch ich habe Glück und kann zwei größere Eisabbrüche beobachten und auf Fotos festhalten.
Im Rahmen der Gletschertour hat man nur etwa eine Stunde Zeit für die Aussichtsplattformen. Dies ist aus meiner Sicht viel zu kurz. Wer den Gletscher genießen möchte, sollte deutlich mehr Zeit einplanen. So steigt auch die Chance, Gletscherabbrüche zu sehen.
Gletscherwanderung
Im Anschluss fahren wir zum kleinen Hafen Puerto Bajo las Sombras. Mit einem Katamaran überqueren wir den Brazo Rico und haben so die Möglichkeit, den Gletscher vom Wasser aus beobachten zu können. Am schönsten finde ich den Blick in den Kanal zwischen Gletscherfront und Península de Magellanes.
Nachdem die Gruppen eingeteilt sind, wandern wir los. Wir laufen zunächst etwa eine Stunde am Gletscher entlang, um zum Einstiegspunkt zu gelangen. Dort bekommen wir unsere Steigeisen. Helm und Geschirr haben wir bereits zu Beginn erhalten.
Wir verbringen etwa drei Stunden auf dem Gletscher. Das Wetter ist durchwachsen. Es ist bewölkt, hin und wieder fallen vereinzelte Tropfen. Zum Glück hängen die Wolken nicht zu tief, so dass der Ausblick gut ist.
Im Vergleich zu meinen bisherigen Gletschertouren, gibt es auf dem Perito Moreno Gletscher deutlich mehr Wasser auf dem Eis. Viele kleinere und größere Bäche fließen nach unten bzw, an den Rand des Gletschers. Das habe ich so bisher noch nicht gesehen.
Eine junge Frau, die bereits nach der Wanderung erschöpft war, bekommt immer wieder Krämpfe in den Knien. Irgendwann kann sie nicht mehr weiterlaufen. Nach einiger stellt sich heraus, dass sie zu wenig getrunken hat. Sie hat nur eine 500 ml Flasche dabei, die noch fast voll ist. Mehr hat sie heute noch nicht getrunken. Die Krämpfe werden vermutlich Folge einer Dehydrierung sein.
Sie bleibt mit einer Freundin zurück. Die Guides müssen viel Überzeugungsarbeit leisten, damit sie viel Wasser trinkt. Jemand stellt noch Elektrolyte zur Verfügung. Tatsächlich wird es mit der Zeit dann besser. Auf dem Rückweg muss sie zu Beginn noch einige Pausen einlegen. Doch später kann sie ohne Unterbrechung laufen. Dies hätte auch anders ausgehen können.
Auf dem Rückweg wird das Wetter dann wieder besser. So ergeben sich tolle Ausblicke auf den Gletscher und den Brazo Rico. Hier finden weitere Gletscherwanderungen für Einsteiger statt. Es ergeben sich tolle Fotomotive.
Auf dem Katamaran gibt es dann Whiskey mit Gletschereis, einen Anhänger als Andenken und eine kleine Süßigkeit. Auch wenn wir aufgrund der Dehydrierung der jungen Frau nicht so weit wie andere Gruppen laufen konnten, war es ein toller Tag.
Donnerstag, 9. Januar 2020
Tag 41: Bootstour "Todos los Glaciares"
Fahrt zum Upsala Gletscher
Nach der Anstrengung des gestrigen Tages, steht heute eine Bootstour zu anderen Gletschern im Parque Nacional Los Glaciares an. Früh am Morgen werde ich wieder vom Hotel abgeholt. Mit dem Bus geht es dann zum Hafen nach Punta Bandera.
Da dort alle ein Ticket für den Nationalpark lösen müssen, stehen wir erst einmal knapp eine Stunde in einer Warteschlange. Mit einer halben Stunde Verspätung legen wir dann schließlich ab.
Die Tour empfinde ich als zu touristisch und kommerziell. Mit etwa 100 Passagieren ist der Katamaran nicht voll ausgebucht, dennoch wird es an Bord und auf Deck sehr schnell voll. Zum Glück bin ich groß und kann über die Köpfe der anderen Gäste hinweg fotografieren.
Den Upsala Gletscher, den größten Gletscher im Park, können wir nur aus einer Entfernung von über 12 Kilometern beobachten. Angeblich erlaubt es die Parkverwaltung aus Sicherheitsgründen nicht, dichter an den Gletscher heranzufahren. Dies kann ich nicht ganz nachvollziehen, da nur wenige Eisberge in weiter Entfernung zu sehen sind. Ich bin etwas enttäuscht.
An einem Eisberg wird dann ein längerer Stopp eingelegt. An Bord kann man Fotografen buchen, die von einem professionelle Fotos vor dem Eisberg oder Gletscher machen. Damit diese ausreichend Zeit haben, verharrt das Boot lange Zeit in so einer Position, dass ein Großteil der Gäste an Bord den Eisberg nicht sehen kann. Erst als es weitergeht, bekommen wir für kurze Zeit den Eisberg zu Gesicht.
Spegazzini Gletscher
Weiter geht es zum Spegazzini Gletscher, dessen Gletscherfront im Vergleich zu den anderen Gletschern im Park am weitesten aus dem Wasser ragt. Auf Weg dorthin passieren wir einige kleinere Gletscherzungen. In der Nähe des Spegazzini Gletschers befindet sich ein Refugio mit einer Cafeteria und einem Souvenirshop.
Der Weg von der Anlegestelle bis dort hin darf nicht verlassen werden. Selbst Arbeitswege dürfen nicht betreten werden, so dass man nicht ans Ufer gehen kann. Es gibt einige Aussichtsplattformen. Die mit der besten Aussicht ist jedoch nur für Gäste, die das Captain's Deck Paket gebucht haben. Ich verbringe die Mittagspause abseits der Menschenmassen und informiere mich anhand der vielen Schautafeln über die Gletscher im Nationalpark.
Die Tour findet dann überraschend doch noch einen versönlichen Abschluss. Da die Gletscherfront des Spegazzini Gletschers sehr stabil ist, können wir vergleichsweise dicht heranfahren (bis zu 500 Meter). Die 130 m hohe Gletscherwand ist einfach beeindruckend.
Im Anschluss geht es dann auf direktem Weg wieder zurück. Gegen 17 Uhr bin ich schließlich wieder im Hotel. Den letzten Abend in El Calafate lasse ich bei Lamm vom Grill ausklingen.
Freitag, 10. Januar 2020
Tag 42: El Calafate bis Chile (285 km)
Gletschermuseum
Bisher hatte ich aufgrund der Tagestouren keine Zeit gefunden, mir das Gletschermuseum Glaciarium anzuschauen. Dies hole ich heute vor meiner Weiterfahrt nach Chile nach.
Die sehenswerte Ausstellung informiert über Gletscher im allgemeinen und über die patagonischen Gletscher im speziellen. Am faszinierenden finde ich die Videos vom Perito Moreno Gletscher, die den Zusammenbruch der Eisblockade zeigen. Es muss ein unvergessliches Erlebnis sein, dieses spektakuläre Ereignis live vor Ort beobachten zu können.
Der Wind hat ordentlich zugelegt. Die Wände des Museums knarzen. Einige Fensterscheiben haben vermutlich aufgrund der starken Winde bereits kleine Risse. Man könnte daher den Eindruck bekommen, dass das Museum gleich zusammenfällt. Für die Mitarbeiter scheint die Geräuschkulisse jedoch normal zu sein.
Fahrt nach Chile
Über den Paso Río Don Guillermo in der Nähe von Torres del Paine möchte ich die Grenze nach Chile überqueren. Auf dem Weg dorthin nehme ich ein Abkürzung. Die 65 km lange Piste führ in den kleinen Ort Tapi Aike an der Ruta 40. Dort gibt es eine kleine Tankstelle, an der nur Barzahlung möglich ist.
Der starke Seitenwind macht mir stellenweise ordentlich zu schaffen. Bei Leitplanken ist der Wind besonders turbulent. Manchmal geht es nur mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit und ordentlich Schräglage halbwegs sicher voran.
Der Grenzübertritt läuft überraschend reibungslos. Auf der chilenischen Seite wird mein Rucksack gescannt. Auf eine Kontrolle des übrigen Gepäcks wird diesmal verzichtet.
Hier geht es zu Teil 10 des Reiseberichts.
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