Mittwoch, 23. September 2015
Tag 1: Rendsburg > Frankfurt > Flug nach Windhoek
Anreise nach Frankfurt
Wie üblich vor Reisen, war ich die Tage zuvor wieder sehr angespannt. Auf Arbeit wollte ich noch möglichst viel schaffen, damit während meiner Abwesenheit nicht allzu viele Themen anfallen. Außerdem musste noch ein Jugendfeuerwehrdienst vorbereitet und durchgeführt werden.
Nach dem Dienst mit der Jugendfeuerwehr am Dienstagabend war die Anspannung dann plötzlich weg. Ich hatte alles geschafft, was ich mir vorgenommen hatte. Anschließend habe ich in Ruhe meine letzten Sachen gepackt. Und nachts konnte ich überraschend gut schlafen.
Im Anschluss an meine Reise von Namibia durch Botswana nach Simbabwe möchte ich an einer zweiwöchigen Motorradtour durch Namibia teilnehmen. So musste ich erstmals meine Motorradbekleidung samt Helm und Stiefel im Gepäck verstauen, zusätzlich zu Schlafsack und Reisekissen.
Dies war eine knifflige Aufgabe, zumal die zulässige Gepäckgröße durch Nomad Adventures vorgegeben wurde, da das Gepäck sonst nicht ins persönliche Schließfach des Overland-Trucks passt. In den vergangenen Wochen habe ich in zahlreichen Probepackversuchen mein Gepäck immer weiter auf das Notwendigste reduziert. Außerdem habe ich eine Packstrategie entwickelt, um meinen Motorradhelm bestmöglich vor Transportschäden zu schützen.
Am Mittwochmorgen klingelt der Wecker kurz vor 6 Uhr. Obwohl der Abflug in Frankfurt erst um 20:10 Uhr ist, möchte ich zeitig los, um für eventuelle Verspätungen genügend Zeitpuffer zu haben. Lieber warte ich am Flughafen mehrere Stunden als den Flieger zu verpassen.
Die Bahnfahrt von Rendsburg zum Frankfurter Flughafen ist erholsam für mich. Die Zeit in der Bahn nutze ich zur Einstimmung auf meinen bevorstehenden Urlaub. Ich studiere meinen Reiseführer und befasse mich dabei insbesondere mit der Geschichte Namibias.
Gegen 13:30 Uhr erreiche ich den Flughafen. Der Check-In startet um 16:10 Uhr. Ich bin mit einer Packtasche, einem Handgepäck-Trolley und einem Rucksack unterwegs. Da der Rucksack nicht mehr in die Tasche passt, lasse ich ihn zusammen mit der Packtasche einwickeln. Die Packtasche mit Rucksack wiegt etwa 18 kg, der Trolley etwa 9 kg.
Flug nach Windhoek
Pünktlich um 20:10 Uhr heben wir Richtung Namibia ab. Die Plätze sind nur etwa zur Hälfte belegt, sodass der Platz neben mir frei ist. Wider Erwarten gibt es im Flugzeug noch ein üppiges Abendessen. Da hätte ich mir die Pizza am Flughafen sparen können.
Ich vertreibe mir die Zeit mit dem Film "Mad Max: Fury Road". Der Film beschäftigt sich aus meiner Sicht zu sehr mit Stunts und Maschinen. Es bleibt wenig Zeit für die Hauptfiguren. Darunter leidet die Geschichte. So stellt sich bei mir keine Begeisterung für den Film ein. Gegen 23:00 Uhr "lege" ich mich schließlich schlafen.
Donnerstag, 24. September 2015
Tag 2: Windhoek (NAM)
Ankunft in Namibia
Punkt 4:00 Uhr werden alle geweckt, damit ausreichend Zeit für das Frühstück und die Einreiseformalitäten bleibt. Ich habe nicht gut schlafen können. Trotz Decke war mir etwas kalt gewesen und durch Turbulenzen bin ich mehrmals wach geworden. Ich freue mich schon auf das Bett in der ersten Unterkunft.
Um 5:45 Uhr landen wir auf dem Hosea Kutako International Airport, der sich etwa 40 km östlich von Windhoek befindet. Die Einreiseformalitäten sind schnell erledigt. Bereits um 6:15 Uhr verlasse ich den Flughafen. Zuvor habe ich mich am Geldautomaten noch mit etwas Bargeld eindecken können. Zu meiner Überraschung hat der Automat südafrikanische Rand und keine namibischen Dollar herausgegeben.
Eine junge Frau hat mich am Flughafen in Empfang genommen und fährt mich nach Windhoek zur Arebbusch Travel Lodge, von wo aus die Reise morgen starten wird. Die Fahrt führt durch hügeliges Buschland. Ich genieße die Landschaft und die aufgehende Sonne.
Während der Fahrt durch Windhoek fällt mir als erstes auf, dass fast alle Häuser durch hohe Mauern, Stacheldraht und/oder Elektrozäune gesichert sind. Dies wirkt befremdlich auf mich. Ich vermute, dass aufgrund hoher Kriminalität ein solcher Schutz des Eigentums erforderlich ist.
Gegen 7:30 Uhr bin ich in meinem Zimmer und lege mich erst einmal bis 10 Uhr schlafen. Nach dem erholsamen Schlaf sortiere ich meine Sachen und mache mich mit der Lodge vertraut. Anschließend mache ich mich zu einem Supermarkt auf.
Von der Rezeption habe ich eine grobe Skizze erhalten. Da die Lodge am Stadtrand liegt, muss ich etwas weiter laufen. Es sind kaum Menschen und Autos auf den Straßen. Das bedeutet, dass ich besonders auffalle. Oft werde ich von Taxifahrern angehupt, manchmal auch direkt angesprochen. Ich gehe jedoch unbeirrt weiter.
An manchen Straßenkreuzungen stehen viele schwarze Männer und scheinen auf etwas zu warten. Einige rufen mir etwas hinterher. Ein weiterer Punkt, den ich bei der Stadtführung am Nachmittag in Erfahrung bringen möchte.
Als die Straße einen Bogen macht, der nicht mehr auf der Skizze eingetragen ist, wird mir klar, dass ich mich verlaufen haben muss. Glücklicherweise ist ein Arbeiter in der Nähe. Ich frage ihn nach dem Supermarkt. Sein Englisch ist nicht so gut, so verständigen wir uns teilweise mit den Händen. Es stellt sich heraus, dass ich an der letzten Kreuzung hätte rechts abbiegen müssen.
Etwa 15 Minuten später habe ich den Supermarkt schließlich erreicht und decke mich mit etwas Lebensmitteln und Getränken ein. Gegen 12:30 Uhr bin ich wieder in der Lodge. Mein erstes "kleines Abenteuer" ist damit beendet.
Stadtführung
Bereits von Deutschland aus habe ich eine Stadtführung bei Face 2 Face Tours gebucht. Ich habe mich für die Township Tour durch Katutura entschieden. Die Mindestteilnehmerzahl beträgt zwei Personen. Bei der Buchung hatte ich angegeben, dass ich alleine reise und nur teilnehmen möchte, wenn sich genügend andere Teilnehmer finden. Über die Buchungsbestätigung hatte ich mich deshalb sehr gefreut.
Um 14:00 Uhr werde ich von der Lodge abgeholt. Als mich die Stadtführerin Tjitjo nach der zweiten Person fragt, wird mir klar, dass hier etwas nicht stimmt. Nach einem mehr oder weniger freundlichen Telefonat mit der Zentrale werde ich schließlich vor die Wahl gestellt. Entweder ich zahle für zwei Personen oder die Tour findet nicht statt. Ich entscheide mich für die Tour und lasse mir meine Laune nicht vermiesen.
Erste Station ist die Old Location Cemetery. Auf dem Friedhof erhalte ich einen kurzen Überblick über die Geschichte Windhoeks. Im Zuge der Apartheid kam es zu Zwangsumsiedlungen der schwarzen Bevölkerung. Während einer Demonstration gegen die Zwangsumsiedlung von der "Alten Werft" (Old Location) nach Katutura erschoss die südafrikanische Polizei am 10. Dezember 1959 dreizehn Demonstranten, die hier in einem Massengrab bestattet sind. Somit dient der Friedhof auch als Gedenkmuseum.
Vor dem Friedhof erfahre ich den Hintergrund der wartenden Männer an Straßenkreuzungen. Die Organisation "Men on the Side of the Road" (kurz MSR) vermittelt ungelernten Arbeitslosen tageweise Jobs und bietet Ausbildungslehrgänge und Fortbildungen an. Hierfür müssen sich die Männer registrieren lassen. Der Mitgliedsausweis, der die Fähigkeiten und Erfahrungen des Besitzers bescheinigt, ist für die Auftraggeber eine Art Verlässlichkeitsgarantie.
Die Mitglieder bemühen sich auch selbst, einen Job zu finden. Üblicherweise laufen sie zwei bis drei Stunden zu Fuß in vornehmere Gegenden und warten den Rest des Tages an Kreuzungen oder auf Parkplätzen auf Arbeit. Wer Tagelöhner für Garten- oder Hausarbeiten benötigt, braucht nur die bekannten Plätze anzusteuern. Laut Tjitjo beträgt der Lohn für einen Tag Arbeit 120 N$, was derzeit unter 10 € entspricht.
Weiter geht es nach Katutura. Katutura bedeutet so viel wie "der Ort, an dem wir nicht Leben möchten". Für die Zwangsumsiedlung wurde in den 1960er Jahren ein völlig neues Siedlungsgebiet erschlossen. Es wurden Einheitshäuser mit einer Wohnfläche von etwa 45 m² errichtet und die Bewohner wurden strikt nach Stammeszugehörigkeit getrennt.
Die Trennung ist noch heute an den Hausnummern in Katutura zu erkennen. Ein H vor der Nummer weist auf Herero hin, ein O auf Ovambo und ein D auf Damara. Auch heute noch wohnen die verschiedenen Bevölkerungsgruppen überwiegend in getrennten Stadtteilen. Laut Tjitjo läge das daran, weil die Menschen gerne mit Menschen gleicher Sprache zusammenleben wollen. Englisch sei zwar Amtssprache, würde aber zu Hause sehr selten gesprochen. Im Alltag gäbe es außerdem nur wenig Berührungspunkte zwischen den Bevölkerungsgruppen.
Wir besuchen den Markt "Single Quarters". Frauen verkaufen hier unter anderem getrocknete Lebensmittel aus ihren Heimatregionen. Das Geld geht an die Familien zurück. Ich lasse mich von Tjitjo überreden, gemeinsam eine getrocknete Mopane-Raupe zu probieren. Die Mopane-Raupe ist aufgrund ihres hohen Proteinanteils vor allem in armen Bevölkerungsschichten ein willkommener Nahrungszusatz. Sie schmeckt etwas erdig und salzig.
Auf dem Markt werden auch Tiere geschlachtet und zubereitet. Es wird versucht, alles zu verwerten oder zu verkaufen, um etwas Gewinn machen zu können. Auf den Tischen werden die Tiere zerhackt. Auf dem Boden liegen Köpfe und Beine von Ziegen und Rindern.
Zusammen mit Tjitjo probiere ich etwas Rindfleisch, das frisch vom Grill kommt, scharf gewürzt ist und sehr lecker schmeckt. Mit einer Cola spüle ich die Reste hinunter. Hoffentlich war das nicht zu viel des Guten am ersten Tag für meinen europäischen Magen.
Auf den Markt gibt es außerdem zahlreiche kleine Läden. In Schneidereien werden unter anderem traditionelle Bekleidung der Herero und Schuluniformen geschneidert. Außerdem gibt es Friseure, Elektronikwerkstätten und vieles mehr. Insgesamt eine beeindruckende Erfahrung. Hier pulsiert das afrikanische Leben.
Die Tour führt anschließend durch Informal Settlements. Hier leben weit über 150.000 Menschen illegal in einfachen Wellblechhütten fast ohne jegliche Infrastruktur. In der Hoffnung auf Arbeit kommen viele Menschen aus allen Teilen Namibias nach Windhoek. Da es jedoch kaum Arbeit und in den armen Stadtteilen nicht genügend Wohnraum gibt, bleibt den Menschen nichts anderes übrig, als sich selbst einfache Hütten zu bauen und in ärmsten Verhältnissen zu leben.
Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, durch ein Township zu fahren bzw. zu gehen, Menschen zu sehen, die am Existenzminimum leben, in Hütten, die eigentlich keine sind, und ohne Perspektive auf Besserung. Ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil ich dort weg kann, in wenigen Stunden wieder in der Lodge sein werde, mit einem komfortablen Bett und einer warmen Dusche.
Auf der anderen Seite pulsiert in den Townships das Leben. Die Menschen versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen, und scheinen nicht, unglücklich zu sein. Mir wird klar, wie gut es uns in Deutschland geht und wie wenig man eigentlich braucht, um glücklich zu sein.
Ein Lichtblick sind Menschen und Organisationen, die versuchen, die Lebensumstände in den Townships zu verbessern. So wie das Penduka Women's Project, letzte Station der Stadtführung. Die Fraueninitiative hat zum Ziel, das Leben benachteiligter Frauen zu verbessern. Hier gibt es Werkstätten, in denen Souvenirs und Kleidung hergestellt werden, einen kleinen Laden, in dem die hergestellten Sachen verkauft werden, ein Restaurant und einfache Unterkünfte. Bei einem Rundgang durch die Werkstätten wird mir von den Frauen gezeigt und erklärt, wie die Souvenirs in mühevoller Handarbeit hergestellt werden.
Um 16 Uhr bin ich wieder an der Lodge. Ich bezahle die Tour für zwei Personen und gebe Titjo etwas Trinkgeld, da die Stadtführung super war - sehr informativ, berührend, befremdlich, aber auch unterhaltsam.
Auf der kleineren Terrasse meines Zimmers notiere ich die vielen neuen Eindrücke in meinem Reisetagebuch. Da ich ungern fremde Menschen fotografiere, insbesondere in ärmlichen Verhältnissen, habe ich heute nur wenige Fotos gemacht. Viel wichtiger als Fotos sind aus meiner Sicht die gewonnenen Eindrücke.
Tagesausklang
Um kurz nach 18 Uhr bekomme ich Besuch von Morrison, meinem Guide von Nomad Adventures. Er informiert mich kurz über Treffpunkt und Abfahrtszeit für den Start der Reise. Außerdem soll es heute Abend ein gemeinsames Abendessen geben. Ich freue mich darauf, die anderen Reiseteilnehmer kennen zu lernen.
Um 18:45 Uhr fahren wir mit einem Taxi zu Joe's Beerhouse. Vor der Abfahrt lerne ich unseren Koch PJ und einige Teilnehmer kennen. Während des Essens erfahre ich, dass die siebzehn Teilnehmer bereits seit Kapstadt mit Nomad Adventures unterwegs sind und gemeinsam schon viel erlebt haben. Die bunt gemischte Gruppe aus Deutschen, Brasilianern, Spaniern, Engländern, Niederländern und Japanern scheint eine super Truppe zu sein. Ich freue mich auf die nächsten Tage.
Unsere Bedienung hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Von knapp zwanzig Personen behält sie sich die bestellten Getränke, ohne sich etwas zu notieren. Als wir unser Essen mit Sonderwünschen bestellen, nimmt sie zunächst alles auf, wieder ohne sich auch nur irgendetwas zu notieren. Anschließend geht sie noch einmal alles durch. Hier haben wir noch einmal die Chance, mögliche Fehler zu korrigieren. Bis auf wenige Kleinigkeiten hat sie alles richtig wiedergegeben. Unfassbar.
Mein Essen, bestehend aus Fleisch von Oryx-Antilope, Springbock und Kudu, schmeckt vorzüglich. Das kühle Windhoek Lager ist sehr süffig. Mein erster erlebnisreicher Tag in Namibia endet mit einem amüsanten Abend. Was will man mehr.
Freitag, 25. September 2015
Tag 3: Windhoek (NAM) > Ghanzi (BW)
Start der Reise
Alle haben sich rechtzeitig am Truck "Mama" eingefunden, damit wir pünktlich um 7:30 Uhr aufbrechen können. Wir erfahren jedoch von Morrison, dass noch zwei weitere Teilnehmer aus Deutschland fehlen würden. Diese würden in einem Stau stecken. Das heißt also warten. Da hätten wir uns heute Morgen etwas mehr Zeit lassen können und uns beim Frühstück nicht so beeilen müssen.
In der Zwischenzeit zeigt mir Morrison mein Schließfach. Morrison scheint nicht erfreut zu sein, dass ich mit zwei Taschen reise. Ich erzähle ihm von meiner geplanten Motorradtour durch Namibia und der Motorradbekleidung inklusive Helm in der großen Tasche. Davon unbeeindruckt, versucht Morrison, die Tasche in das Schließfach zu pressen. Gemeinsam schaffen wir es. Mein Trolley stelle ich unter die letzte Sitzreihe. So sollte er niemanden stören.
Nach Eintreffen von Alex und Kirsten gibt es für uns drei Neue ein kurzes Briefing, mit den notwendigsten Informationen. Ein ausführliches Briefing soll es am Abend geben. Gegen 8:30 Uhr fahren wir schließlich los.
Fahrt nach Ghanzi
Unser Tagesziel ist der Campingplatz "Camp Trail Blazers" in der Nähe von Ghanzi in Botswana. Wir folgen der B6 Richtung Osten. Die Fahrt an sich ist unspektakulär. Ich unterhalte mich mit meinem Sitznachbarn Hermann und genieße die Landschaft.
In Gobabis machen wir eine kurze Pause, die wir zum Einkaufen nutzen. Kurz vor der Grenze machen mir an einer Tankstelle Mittagspause. Ein ausklappbarer langer Tisch wird aufgestellt, PJ bereitet die Zutaten für die Sandwiches vor, einige Teilnehmer helfen ihm, andere stellen Campingstühle auf. Anschließend belegt sich jeder seine Sandwiches nach Belieben. Nach dem Essen wäscht jeder sein Geschirr selbst ab. Ich erfahre, dass die Mittagspause generell so abläuft.
Der Grenzübertritt dauert knapp eine Stunde. Für Namibia ist eine Ausreiseformular und für Botswana ein Einreiseformular auszufüllen, die sich vom Aufbau glücklicherweise sehr ähneln. Um 14:30 Uhr setzen wir unsere Fahrt fort.
Im Truck ist es sehr heiß. Leider gibt es keine Vorhänge, um sich vor der Sonneneinstrahlung schützen zu können. Kühlung verschaffen lediglich offene Fenster. Unterwegs legen wir einige kurze Toilettenpausen ein. Morrison scheint ein straffes Zeitmanagement zu haben.
Mitten im Nichts biegen wir auf einmal von der Straße ab. Über eine üble Buckelpiste geht es noch weiter ins Nichts hinein. Da der Truckaufbau nicht gefedert ist, werden wir ordentlich durchgeschüttelt und heben teilweise von unseren Sitzen ab. Nach etwa fünfzehn Minuten erreichen wir den Campingplatz, der schön im Busch gelegen ist.
Die übrigen Teilnehmer sind eingespielt und wissen, was zu tun ist. Jeder nimmt sich sein Zelt, das dazugehörige Gestänge, sucht sich einen passenden Platz und errichtet sein Zelt. Wir Neulinge müssen auf Morrison warten. Morrison baut für uns die Zelte auf. Wir dürfen nur zuschauen und lernen. Der Abbau soll morgen ebenfalls durch Morrison erfolgen. Erst dann dürfen wir unsere Zelte selbstständig auf- und abbauen. Sollten wir Probleme haben, dürfen wir jedoch nur zu Morrison gehen.
Da wir in Windhoek zugestiegen sind, sind die vermeintlich guten Zelte bereits vergeben. Es stehen nur noch Zelte mit kleinen Mängeln zur Verfügung. Mein Zelt weist in einer unteren Ecke ein großes Loch auf, dass ich notdürftig stopfe. Ich hoffe, dass es auf der Reise nicht allzu viele Moskitos geben wird.
Positiv ist, dass ich ein Zelt für mich allein habe, obwohl ich dies nicht gebucht habe. Da der Truck nicht vollständig belegt ist (20 statt 24 Teilnehmer), sind ausreichend Zelte vorhanden.
Anschließend gibt es das ausführliche Briefing. Morrison macht uns mit den Regeln und Abläufen vertraut, die zwingend einzuhalten sind. Außerdem zeigt er uns, wo wir was im Truck finden können und welche Bereiche für uns tabu sind.
Tagesausklang
Nach einer warmen Dusche gibt es Abendessen, das von den Mitarbeitern des Campingplatzes zubereitet worden ist. Es gibt Rind, Pap (Getreidebrei aus Maismehl) und Gemüse. Sehr lecker.
Im Anschluss führt uns eine Gruppe San einige traditionelle Tänze und Gesänge vor. Wir erfahren, dass es Tänze für verschiedene Anlässe gibt, zum Beispiel zum Heilen oder zur Unterhaltung. Für uns klingen die Tänze jedoch alle irgendwie ähnlich.
Unter den San ist ein Kleinkind, das versucht, die Tänze nachzumachen. Dies ist sehr amüsant mit anzusehen. Zwischendrin gibt es eine Phase, in der das Kind verärgert zu sein scheint. Es haut mit seinem kleinen Stock nach dem Medizinmann. Alles in allem eine sehr unterhaltsame Vorstellung.
Samstag, 26. September 2015
Tag 4: Ghanzi (BW) > Sepopa (BW)
Bushman Walk
Um 6:00 Uhr stehe ich auf, um bereits vor dem Bushman Walk abreisefertig zu sein. Nur mein Zelt muss noch durch Morrison abgebaut werden. Obwohl ich rechtzeitig fertig bin, verpasse ich fast den Beginn der Führung durch den Busch, da ich davon ausgegangen war, dass wir abgeholt werden. Ich kann die Gruppe jedoch noch einholen.
Eine Gruppe von San zeigt und erklärt uns, wie die San im Busch überleben und alles Notwendige finden können. Ein Einheimischer übersetzt die Klicklautsprache ins Englische. Im Schnelldurchlauf erfahren wir, wie die San Feuer machen, Wasser finden und transportieren, aus einer bestimmten Baumart mit Wasser eine seifige Lösung für die Körperhygiene herstellen und welche Zweige für die Zahnpflege verwendet werden. Außerdem wird auf viele medizinische Probleme eingegangen und welche Wurzeln Abhilfe und Linderung verschaffen. Schade, dass nicht mehr Zeit zur Verfügung steht.
Fahrt nach Sepopa
Während der Führung bekomme ich leichte Bauchschmerzen und mir wird schlecht. Sind das etwa die Folgen der Mopane-Raupe und des Rindfleisches auf dem Markt in Windhoek? Oder Nebenwirkungen der Malaria-Prophylaxe? Ich fühle mich etwas schwach und habe keinen Appetit. Dennoch zwinge ich mich, etwas zu frühstücken. Gegen 9:00 Uhr brechen wir Richtung Sepopa auf.
Mein Zustand bessert sich nicht. Während der Mittagspause informiere ich Morrison über meine Übelkeit und Appetitlosigkeit und esse etwas trockenes Brot. Es fühlt sich an, als hätte meine Verdauung die Arbeit komplett eingestellt. Alles, was ich zu mir nehme wird einfach nur oben drauf gepackt.
Heute ist es besonders heiß und die Sonne scheint überwiegend auf unsere Seite des Trucks. Mit meinem Sonnenhut versuche ich mich, bestmöglich vor der Sonne zu schützen. Aufgrund der Appetitlosigkeit trinke ich weniger als sonst. Und so kommt es, wie es kommen muss. Kurz nach der Ankunft auf dem Campinplatz "Swamp Stop" breche ich ohnmächtig zusammen, während alle anderen der kurzen Ansprache von Morrison lauschen.
Als Letzter steige ich aus dem Bus. Ich merke, dass mir schwindlig wird, lehne mich an den Bus und versuche noch erfolglos, mich bemerkbar zu machen. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich auf dem Boden liegend zu mir komme. Ich dachte zunächst, ich träume. Als aber immer wieder mein Name gerufen wird und ich berührt werde, merke ich, dass etwas nicht stimmt und öffne langsam meine Augen.
Die Gruppe kümmert sich rührend um mich. Während einige die medizinische Betreuung übernehmen, holen andere etwas kaltes zu trinken, errichten mein Zelt und schaffen mein Gepäck ins Zelt. In dieser Stelle noch mal herzlichen Dank dafür.
Wenn es mir nicht gut geht, möchte ich am liebsten für mich allein sein. Ich mag es nicht besonders, umsorgt zu werden. Auf einer Gruppenreise ist dies aber nur schwer umsetzbar. Daher finde ich mich mit der Situation ab. Zum Glück habe ich wenigstens ein Einzelzelt.
Nachdem sich meine Körpertemperatur normalisiert hat und es mir etwas besser geht, werde ich mit der Vorgabe, mich auszuruhen, in mein Zelt entlassen. Ich wechsel meine schmutzige Kleidung, bereite mir eine Flasche Wasser mit einer Elektrolytmischung zu und zwinge mich, noch mehr zu trinken.
Tagesausklang
Nachdem ich mich etwas ausgeruht habe, wasche ich meine schmutzige Kleidung und hänge diese zum Trocknen auf. Zum Abendbrot hat PJ extra für mich Reis und Fisch zubereitet. Ich habe immer noch keinen Hunger oder Appetit, esse jedoch dennoch etwas. Den Rest des Abends verbringe ich im Zelt und ruhe mich aus.
Sonntag, 27. September 2015
Tag 5: Sepopa (BW) > Seronga (BW)
Bootsfahrt nach Seronga
Um 6:30 Uhr stehe ich auf. Mir geht es etwas besser, aber immer noch nicht gut. Ich habe immer noch kein Hunger. Zum Frühstück esse ich etwas Müsli und trinke mein mit Elektrolyten versetztes Wasser.
Heute geht es ins Okavango-Delta, eines der größten und tierreichsten Feuchtgebiete Afrikas. Das Okavango-Delta ist das Binnendelta des Okavango Flusses. Das Wasser versickert hier im Kalaharibecken bzw. verdunstet auch zu großen Teilen.
Mit zwei Speedbooten brechen wir gegen 8:30 Uhr auf. Morrison bleibt in Sepopa zurück, um den Truck auf Vordermann zu bringen. Nur PJ begleitet uns nach Seronga. Zum Glück ist ein Speedboot überdacht, so dass ich vor der Sonne geschützt sitzen kann. Knapp zwei Stunden fahren wir durch die unzähligen Kanäle des Okavango-Deltas, die links und rechts durch Schilfgras begrenzt sind. Der Fahrtwind ist angenehm kühl und wir sehen viele Vögel und Krokodile.
Nach zahlreichen, scharfen Links- und Rechtskurven habe ich die Orientierung verloren. Die Boote nehmen die nicht einsehbaren Kurven so eng, dass aus meiner Sicht eine Kollision unvermeidlich ist, sollte ein entgegenkommendes Boot die Kurve genauso eng nehmen. Zum Glück ist kaum Verkehr und alles geht gut.
Nachdem wir in Seronga angekommen sind, laden wir unser Gepäck auf einen Jeep. Mit Jeeps fahren wir etwa eine halbe Stunde bis zum Campingplatz "Jumbo Junction". Es ist für mich unvorstellbar: gerade eben sind wir noch auf dem Wasser gefahren, dessen Ufer im satten Grün standen. Doch wenige Meter von den Kanälen entfernt, ist alles staubtrocken.
Ich verstehe nicht, warum das Wasser zum Beispiel nicht für Ackerbau verwendet wird. So fahren wir durch einige trostlose, staubige Dörfer. Wir werden freundlich begrüßt. Viele Kinder winken uns zu, einige laufen uns sogar hinterher. Als wir das Camp erreichen, werden wir mit einem Lied empfangen. Was für eine Begrüßung!
Fahrt im Mokoro durch das Okavango-Delta
Das Camp liegt direkt am Wasser und es ist grün. Wir nutzen die auf dem Campingplatz vorhandenen Zelte, die mit Liegen ausgestattet sind. So blieb uns ein aufwändiger Zelttransport erspart. Auch hier kann ich die Ruhe eines Einzelzeltes genießen, da wir die einzigen Gäste in dem Camp sind.
Zu Mittag esse ich lediglich zwei Scheiben Toast. Von Hunger noch immer keine Spur. Ansonsten geht es mir eigentlich ganz gut. Den Nachmittag verbringen wir mit Kartenspielen und Dart.
Um 16 Uhr brechen wir zu einer weiteren Bootstour auf. Diesmal jedoch in einem Mokoro. Hierbei handelt es sich um ein traditionelles Einbaum-Boot. Wir verwenden jedoch die moderne Version aus Fiberglas. Einerseits ein wenig enttäuschend, andererseits wird dadurch das Abholzen großer Bäume vermieden.
Nachdem wir uns unseren Steuermann (Poler) ausgesucht haben, "stechen wir in See". Die Fahrt führt stellenweise durch sehr flaches Wasser. Die Wege sind teilweise auch nur so breit wie das Boot. Hier spielen die leichten Mokoros aus Fiberglas mit wenig Tiefgang ihre Vorteile aus.
Die ruhige Fahrt durch die grüne Sumpflandschaft und durch klares Wasser ist sehr schön und entspannend. So habe ich mir das Okavango-Delta vorgestellt. Es fehlen nur noch die Tiere. Laut unserem Poler wäre die Fahrt ungefährlich, da Krokodile und Nilpferde nur in tieferen Gewässern anzutreffen seien. Manchmal treffen wir jedoch auf kleine Rinderherden. Das Läuten der Kuhglocken erinnert mich eher an einen Urlaub im Allgäu als an einen Afrikaurlaub.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde haben wir unser Ziel erreicht. Wir verlassen unsere Boote, um nach einer kurzen Unterweisung zu einer Pirschwanderung aufzubrechen. Wir laufen in einer Reihe dicht hintereinander. So sollen uns Tiere als ein großes Tier wahrnehmen und uns dadurch fernbleiben. Ich möchte ungern auf einen Löwen treffen, um herauszufinden, ob die Strategie tatsächlich aufgeht.
Nach einer Weile entdecken wir eine Elefantenherde in der Ferne. Wir bleiben stehen und beobachten die Szenerie in aller Stille für einige Minuten. Eine tolle Erfahrung.
Bevor wir weiter gehen, fange ich eine neue Flasche Wasser an. Diese ist noch eisgekühlt. Nur wenige Minuten später muss ich mich plötzlich und unerwartet übergeben. Damit ist die Pirschwanderung leider für alle beendet. Wir befinden uns mitten im Nichts und die Poler haben die Befürchtung, dass ich zusammenbrechen könnte. Daher geht es schnell zurück.
Tagesausklang
Nach der Ankunft im Camp verziehe ich mich sofort in mein Zelt und ruhe mich aus. Alex und Kirsten schauen nach mir und ich kann sie beruhigen. Nach fast zwei Tagen nimmt mein Verdauungssystem allmählich die Arbeit wieder auf. So bin ich zuversichtlich, dass es endlich bergauf geht und der Appetit zurückkommt.
Ich beschließe, morgen im Camp zu bleiben, um den anderen den Urlaub nicht noch mehr zu vermiesen. Gegen 21:00 Uhr gehe ich duschen. Anschließend schaue ich noch kurz an der Bar vorbei, um mir die Infos für den nächsten Tag geben zu lassen.
Die Geräuschkullisse im Zelt ist einmalig. Tausende Grillen zirpen und hin und wieder hört man in der Ferne das Brüllen eines Elefanten oder eines Nilpferds. Einmalig! Glücklicherweise ist das Camp durch Zäune gesichert. Dennoch habe ich ein mulmiges Gefühl als ich nachts die Toiletten aufsuche und es in Büschen und Sträuchern raschelt.
Aufgrund der Trockenzeit gibt es fast keine Moskitos. In der Hoffnung auf gesundheitliche Besserung überlege ich, ob ich die Einnahme der Malariaprophylaxe einstellen sollte. Doch das Risiko erscheint mir zu groß. Wer weiß, wie es sich in den nächsten Tagen mit den Moskitos verhält.
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